Mein Vater
Bescheidenheit, Verantwortung und Liebe
Mein Vater war ein Mann von großer Bescheidenheit und innerer Ruhe. Der gutbürgerliche Lebensstil, den er in seiner Familie und seinem Arbeitsumfeld pflegte, spiegelte sich nicht nur in seiner beruflichen Tätigkeit, sondern auch im Privatleben wieder. Als Elektriker und Vorarbeiter und später als Koordinator trug er durch seine bescheidene, aber sehr verantwortungsvolle Art dazu bei, dass unsere Familie in einem stabilen Umfeld aufwuchs.
Er war ein Mann, der es verstand, mit wenig auszukommen und stolz auf das zu sein, was er mit eigenen Händen erreicht hatte. Besonders bewundere ich den Aufbau unseres Hauses im Nachkriegsdeutschland, eine Leistung, die sich durch seine harte Arbeit und Hingabe auszeichnete. Dank seiner sorgfältigen und verantwortungsbewussten Art mussten wir uns nie um Geldsorgen kümmern, und dies, das Potentail der Möglichkeiten, ist etwas, wofür ich ihm ewig dankbar bin.
Sein Gemüt war ruhig und eher zurückhaltend, geprägt von den Werten einer Generation, die es schwer hatte, über Gefühle zu sprechen. Doch im Laufe der Jahre, insbesondere als ich älter wurde und er in Zeiten der Not mehr von sich preisgab, öffnete er sich mir zunehmend. Heute weiß ich, wie viel ich ihm verdanke, sowohl in Bezug auf Tugenden als auch Prinzipien, die mir in meinem Leben stets als Orientierung dienten – Werte, die mir vor allem nach seinem Tod zunehmend bewusst wurden und mir halfen, mein eigenes Leben zu meistern.
Er setzte keine körperliche Gewalt ein und versuchte stets, das Wohlbefinden in unserer Familie zu gewährleisten. In den Grenzen seiner Möglichkeiten tat er alles, um uns ein stabiles und sicheres Zuhause zu bieten, und in vielerlei Hinsicht ist ihm das auch gelungen. Doch trotz seiner Stärke und Hingabe konnte er nicht immer seine eigenen gesundheitlichen Herausforderungen überwinden, die schließlich einen erheblichen Einfluss auf das Leben unserer Familie nahmen.
Es waren oft altmodische Ansichten, die ihm halfen, in schwierigen Zeiten zu überleben – Überlebensstrategien, die man besonders einem Kriegskind kaum absprechen kann. Hieraus ergeben sich bis heute unzählige Schilderungen der erlebten NS-Zeit und das Einstehen für die eigene Meinung; selbst unter Anfeindung.
Mein Vater hatte viele Interessen, doch eines seiner größten Hobbys war das Lösen von Rätseln. Darüber hinaus verbrachte er viel Zeit in unserem Garten und war viele Jahre lang ein aktives Mitglied im Schützenverein.
Als mein Vater schließlich von uns ging, war dies für ihn sicherlich auch eine Erlösung, besonders im Hinblick auf die schwere Diagnose, die ihn lange begleitet hatte, und den Tod meiner Mutter, seiner geliebten Frau; bis das der Tod sie nach 50 Jahren schied.
In gewisser Weise war sein Fortgang eine Erlösung von seinem Leid, auch wenn er in mir eine tiefe Lücke hinterläßt.
Möge sein Erbe in Frieden und Liebe weiterleben, und seine Seele in Licht und Dankbarkeit ruhen.